BArchV - Kindererziehungszeiten
Shownotes
Deutsche Rentenversicherung: Informationsbroschüre „Kindererziehung: Ihr Plus für die Rente“
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Intro
Willkommen zu Folge 6 unserer Podcast-Reihe. Unser heutiges Thema:
„Kindererziehungszeiten – Wissenswertes für berufsständisch Versicherte“. Ein Thema, das nicht nur junge Eltern betrifft. Auch viele (noch kinderlose) Berufsanfänger beschäftigen sich mit der Frage, ob Kindererziehungszeiten beim Versorgungswerk grundsätzlich anrechenbar sind. Nämlich dann, wenn sie sich entscheiden müssen, ob sie sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen, um ihre Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung allein über ihr berufsständisches Versorgungswerk laufen zu lassen.
Ja. Viele fürchten Nachteile, weil sie vielleicht irgendwann mal gehört haben, dass Zeiten der Kindererziehung bei Versorgungswerken keine rentensteigernde Wirkung haben – anders als bei der gesetzlichen Rentenversicherung.
Wir, Christina Floßmann, Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit im Bereich berufsständisches Versorgungswesen und betrieblichen Altersversorgung,
und Simone Grötsch, juristische Referentin bei der Bayerischen Versorgungskammer, sprechen heute darüber, was es mit den sog. Kindererziehungszeiten auf sich hat,
welche Besonderheiten in diesem Zusammenhang für Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke gelten
und unter welchen Voraussetzungen Zeiten der Kindererziehung konkret für Ihre Rente berücksichtigt werden können.
Außerdem klären wir, ob sich ihr Mitgliedschaftsverhältnis beim Versorgungswerk durch eine berufliche Pause wegen Kindererziehung verändert und welche Gestaltungsmöglichkeiten das Beitragsrecht vorsieht.
Teil 1: Was sind Kindererziehungszeiten?
Fangen wir ganz grundlegend an: Was versteht man eigentlich unter dem Begriff „Kindererziehungszeit“?
Der Begriff Kindererziehungszeit stammt aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung und ist im SGB VI, also im Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs, geregelt. Nach der gesetzlichen Definition handelt es sich um „Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren“.
Aber was bedeutet das in Bezug auf meine Rente?
Wer schon Kinder hat, weiß: Kindererziehung ist zeitaufwändig. Oft ist es nicht möglich, dass beide Elternteile in den ersten Lebensjahren eines Kindes Vollzeit arbeiten.
Wer wegen Kindererziehung eine berufliche Pause einlegt oder die Erziehungsarbeit neben einer beruflichen Teilzeittätigkeit leistet, muss Einkommenseinbußen hinnehmen. Die führen letztlich zu Nachteilen in der Rentenversicherung.
Verstehe. Diesen Nachteil gleicht der Staat durch die Gutschrift von Kindererziehungszeiten aus.
Richtig. Kindererziehungszeiten werden in der gesetzlichen Rentenversicherung mit Entgeltpunkten bewertet. Aktuell gibt es bis zu drei Entgeltpunkte pro Kind. Der Wert eines Entgeltpunkts wird jährlich zum 1. Juli angepasst und beträgt aktuell, also seit Juli 2025, 40,79 €. Die Gutschrift von 3 Entgeltpunkten pro Kind entspricht damit einer monatlichen Rente von rund 120 €.
Das heißt, Eltern bekommen in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rentengutschrift, ohne einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen und eigene Beiträge an die Rentenversicherung zu bezahlen. Woher kommt dieses Geld, wenn es nicht durch eigene Beitragszahlungen „verdient“ wird?
Die Beitragszahlungen an die Deutsche Rentenversicherung finanziert der Staat aus Steuermitteln. Er erkennt damit die Erziehungsleistung als gesellschaftlich erwünschte Leistung an und honoriert diese Leistung mit einer späteren Rentensteigerung.
Teil 2: Anrechnung für Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke
Und wie sieht das jetzt bei den Versorgungswerken aus? Die sind ja ganz anders finanziert als die gesetzliche Rentenversicherung und können nicht auf Steuermittel zurückgreifen. Gibt es da auch eine Anrechnungsmöglichkeit oder eine rentensteigernde Gutschrift?
Jein. Versorgungswerke haben selbst keine Regelungen für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Das heißt aber nicht, dass es für Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke keine Gutschrift für Kindererziehungszeiten gibt. Mitglieder eines berufsständischen Versorgungswerks können sich Zeiten der Kindererziehung – wie alle anderen – ebenfalls bei der gesetzlichen Rentenversicherung anrechnen lassen. Und zwar auch dann, wenn sie ansonsten keinerlei Rentenansprüche gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung haben (was häufig der Fall ist, weil sie seit Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit zugunsten des Versorgungswerks von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind).
Der Gesetzgeber hat diese Aufgabe für alle Personen nur einem Träger übertragen, nämlich der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie erhält dafür aber auch Geld vom Staat, um diese Aufgabe zu finanzieren. Damit ist sichergestellt, dass Mitglieder in berufsständischen Versorgungswerken nicht benachteiligt werden.
Das überrascht viele. Denn man denkt: Wenn ich ausschließlich im Versorgungswerk versichert bin, müsste doch auch die Kindererziehungszeit dort berücksichtigt werden. Warum ist das nicht so?
Das wäre vielleicht wünschenswert, ist aber aus strukturellen Gründen nicht möglich. Aber auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung spricht vieles dafür, die Kindererziehungszeit einheitlich für alle bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen.
Was heißt das genau?
Kurz gesagt: Zwei Systeme, zwei Gesetze! Der Bund darf gar kein Geld an die Versorgungswerke überweisen, weil dafür die gesetzliche Grundlage fehlt. Die staatlichen Beiträge für Kindererziehungszeiten sind im Sozialgesetzbuch geregelt. Das Sozialgesetzbuch wiederum ist ein Bundesgesetz und kennt als solches nur die gesetzliche Rentenversicherung als Empfänger staatlicher Beiträge. Versorgungswerke sind dagegen eigenständige Einrichtungen auf Landesebene. Sie sind nicht nur finanziell sondern auch rechtlich völlig getrennt von der gesetzlichen Rentenversicherung zu sehen.
Okay. Aber wäre es dann nicht Aufgabe der berufsständischen Versorgungswerke, für ihre Mitglieder eigene Regelungen für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten zu schaffen?
Das ist eine berechtigte Frage. Dagegen sprechen allerdings mehrere Gründe.
Zum einen fehlt es dafür an der gesetzgeberischen Kompetenz. Wie gerade schon erwähnt, sind Kindererziehungszeiten Teil des bundesgesetzlichen Sozialrechts. Sie werden vom Bundesgesetzgeber einheitlich für alle geregelt und fallen damit nicht in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen auf landesrechtlicher Grundlage errichteten Versorgungswerke.
Zum anderen wäre eine Anrechnung im Versorgungswerk aber auch nicht sinnvoll.
Warum nicht?
Versorgungswerke arbeiten nach Kapitaldeckungsprinzipien, d.h. sie finanzieren sich im Grundsatz beitragsorientiert. Das Verhältnis von Beitrag und Rente folgt dem Äquivalenzprinzip. Eine Gutschrift von Kindererziehungszeiten ohne Eigenleistung in Form von Beitragszahlungen oder ohne staatliche Zuschüsse für diese Aufgabe würde die Solidargemeinschaft der Mitglieder belasten und letztlich zu einer niedrigeren Ausgangsrente für alle führen.
Zudem ist im Bundesgesetz geregelt, dass der Anspruch auf Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht besteht, wenn während der Erziehungszeit bei einem anderen Träger Anwartschaften auf Versorgung im Alter erworben wurde, wenn dies systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werden wie die Kindererziehung nach dem SGB VI. Im Klartext: Gewähren die Versorgungswerke die Kindererziehungszeiten besteht kein Anspruch mehr bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Das wäre aus Sicht der Betroffenen sogar ein Nachteil.
Teil 3:Voraussetzungen und Umfang der Anrechnung
Die Anrechnung erfolgt also immer über die gesetzliche Rentenversicherung. Aber wie funktioniert das, wenn ich gar kein Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung bin?
Wichtig ist: Die Anerkennung erfolgt nicht automatisch! Die Kindererziehungszeiten müssen beim zuständigen Rentenversicherungsträger der Mutter oder des Vaters beantragt werden – auch dann, wenn man noch nie Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hat.
Zuständiger Träger ist in der Regel die Deutsche Rentenversicherung Bund (oder einer der 14 Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung).
Ist die Anrechnung neben der Antragstellung noch an andere Voraussetzungen geknüpft?
Ja, schon. Es gibt genaue Regelungen dazu, wer Kindererziehungszeiten angerechnet bekommen kann und unter welchen Voraussetzungen. Zum Beispiel können nicht nur leibliche Eltern Kindererziehungszeiten erhalten, sondern auch andere Elternteile, zum Beispiel von Adoptiv- Stief- oder Pflegekindern. Besonderheiten gibt es wiederum bei gleichgeschlechtlichen Eltern oder wenn das Kind im Ausland erzogen worden ist.
Wer kann mir konkret Auskunft erteilen, wenn ich Fragen dazu habe, ob ich die Voraussetzungen für die Anrechnung erfülle oder nicht?
Für einen ersten Überblick empfehle ich die Informationsbroschüre der Deutschen Rentenversicherung mit dem Titel „Kindererziehung: Ihr Plus für die Rente“, die man auch online lesen kann. Sollten danach Fragen offen sein, sollte man sich direkt an die nächstgelegene Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung wenden. Nur dort erhält man verbindliche Auskünfte.
Gut zu wissen. Den Link zur Broschüre stellen wir direkt in die Show-Notes.
Aber jetzt nochmal eine andere wichtige Frage: Wann ist denn eigentlich der beste Zeitpunkt, mich mit den Fragen zur Anrechnung zu beschäftigen – gleich beim Berufseinstieg? Direkt nach der Geburt eines Kindes? Oder erst kurz vor Rentenbeginn?
Das kommt drauf an, ob die gesetzlich vorgesehene Zuordnung für mich passt oder ob ich selbst mitgestalten möchte, bei der Zuordnung der Kindererziehungszeiten. Es ist nämlich so:
Die Kindererziehungszeit kann immer nur ein Elternteil zur selben Zeit in Anspruch nehmen!
Gesetzlich wird auf die tatsächliche Erziehungsleistung abgestellt, d.h. die komplette Erziehungszeit von drei Jahren pro Kind wird dem Elternteil zugeordnet, der das Kind in dieser Zeit überwiegend erzieht – in der Regel der Mutter.
Durch eine übereinstimmende gemeinsame Erklärung kann eine andere Zuordnung oder auch eine Aufteilung der Zeiten zwischen den Eltern erreicht werden. Die übereinstimmende Erklärung wirkt aber grundsätzlich nur für die Zukunft. Maximal kann sie 2 Monate rückwirkend wirken. Hier muss man also tatsächlich schnell sein und sollte sich idealerweise im Vorfeld schon ein paar Gedanken gemacht haben. Denn: Die Erklärung hat ja durchaus Konsequenzen und lässt sich im Normalfall nicht mehr rückgängig machen.
Ein wichtiger Aspekt ist vermutlich auch noch die Wartezeit. Damit später auch wirklich ein Rentenanspruch gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung besteht, muss die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt sein.
Ja, das stimmt. Darauf muss man unbedingt achten.
Und wie kann ich die Wartezeit erfüllen, wenn ich eigentlich immer nur im Versorgungswerk war?
In vielen Fällen kommt man durch die Kindererziehungszeiten und eventuell frühere Mini- oder Nebenjobs auf die nötigen fünf Jahre. Falls nicht, kann es sinnvoll sein, freiwillige Beiträge zu zahlen. Auch das sollte frühzeitig mit der gesetzlichen Rentenversicherung geklärt werden.
Bei der vollen Anrechnung von zwei Kindern bin ich allein durch die Kindererziehungszeiten schon über die Wartezeit von fünf Jahren.
Teil 4: Auswirkungen auf Mitgliedschaft und Beitragspflicht im Versorgungswerk
Jetzt haben wir viel darüber gesprochen, was Kindererziehungszeiten sind, wo sie angerechnet werden und wie sie sich auf die Rente auswirken. Etwas anderes haben wir bisher aber noch überhaupt nicht besprochen:
Was passiert eigentlich mit meiner Mitgliedschaft im Versorgungswerk während der Zeit der Kindererziehung? Ruht die Mitgliedschaft? Oder muss ich weiter Beiträge an das Versorgungswerk bezahlen, obwohl ich vielleicht gerade gar nicht oder nur in geringem Umfang arbeite?
Die Mitgliedschaft im Versorgungswerk bleibt bestehen und damit grundsätzlich auch die Beitragspflicht. Wer aber kein Berufseinkommen erzielt oder nur in geringem Umfang, kann in der Regel eine Beitragsfreistellung beantragen.
Das heißt, ich muss das Versorgungswerk in jedem Fall aktiv informieren, wenn ich Elternzeit in Anspruch nehme?
Nicht unbedingt. Aber es ist sinnvoll das Versorgungswerk über die Inanspruchnahme von Elternzeit zu informieren, damit gegebenenfalls die Möglichkeiten einer Beitragsfreistellung geprüft werden können.
Und wie ist es nach der Elternzeit? Muss ich da etwas beachten?
Auf jeden Fall. Das gilt vor allem, wenn Sie angestellt tätig sind. Wenn sich nach der Elternzeit das Tätigkeitsfeld beim bisherigen Arbeitgeber wesentlich verändert oder wenn eine neue Beschäftigung bei einem neuen Arbeitgeber aufgenommen wird, muss ein neuer Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gestellt werden.
Teil 5: Fazit und Tipps
Infos über Infos. Zeit für eine kurze Zusammenfassung. Los geht`s:
Für Zeiten der Kindererziehung bekommt der erziehende Elternteil als Anerkennung der Erziehungsleistung eine Rentengutschrift vom Staat.
Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten ist ausschließlich über die gesetzliche Rentenversicherung möglich und muss dort beantragt werden.
Versorgungswerke haben keine eigenen Regeln zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Aber auch Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke erhalten auf Antrag eine Rentengutschrift bei der gesetzlichen Rentenversicherung.
Damit später aus den angerechneten Kindererziehungszeiten tatsächlich ein Rentenanspruch gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung entsteht, muss die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt sein.
Außerdem wichtig:
Während der Elternzeit bleibt man Mitglied im Versorgungswerk.
Auf Wunsch ist in der Regel eine Beitragsfreistellung möglich.
Nach der Rückkehr in den Beruf sollte man unbedingt prüfen, ob ein neuer Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich ist. Das ist insbesondere bei veränderten Tätigkeiten oder einem Jobwechsel der Fall.
Damit sind wir am Ende der heutigen Folge. Wie immer: wenn euch diese Informationen geholfen haben, teilt den Podcast gern mit euren Kolleginnen und Kollegen.
Freut euch auf die nächste Folge!
Euer BV-Cast Team der Bayerischen Versorgungskammer
Outro
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