BArchV - Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht

Shownotes

Willkommen zu Folge 3 unserer Podcast-Reihe. Dieses Mal geht es um ein Thema, das vor allem die Angestellten in den freien Berufen betrifft und viele Fragen aufwirft:
Wohin gehen denn die Rentenversicherungsbeiträge aus meiner Tätigkeit als Angestellter? Und was bedeutet eigentlich Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung?

Wir erklären euch heute Hintergrund und Geschichte des Befreiungsrechts,
sprechen über die Voraussetzungen allgemein und über besondere Fallgestaltungen
und sagen euch, was ihr tun und beachten müsst, wenn ihr euch von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen wollt.

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Intro

Willkommen zu Folge 3 unserer Podcast-Reihe. Dieses Mal gehts um ein Thema, das vielen Mitgliedern Fragen aufwirft und vor allem die Angestellten in den freien Berufen betrifft:

Wohin gehen denn die Rentenversicherungsbeiträge aus meiner Tätigkeit als Angestellter? Und was bedeutet eigentlich Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung?

Wir erklären euch heute Hintergrund und Geschichte des Befreiungsrechts,

sprechen über die Voraussetzungen allgemein und über besondere Fallgestaltungen

und sagen euch, was ihr tun und beachten müsst, wenn ihr euch von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen wollt.

Wir das sind, Andreas Kreiser, Abteilungsleiter bei der Bayerischen Versorgungskammer,

und Christina Floßmann, Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit im Bereich berufsständisches Versorgungswesen und betrieblichen Altersversorgung.

Teil 1: Hintergrund und Geschichte

Vielleicht erstmal ganz grundsätzlich: Worum geht es konkret bei der „Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht?“

Ganz einfach: Seid Ihr als Angestellte tätig, seid Ihr automatisch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Die Rentenversicherungsbeiträge aus Eurem Einkommen gehen damit zur gesetzlichen Rentenversicherung, das ist die Deutsche Rentenversicherung, abgekürzt DRV. Die DRV besteht aus verschiedenen regionalen Trägern wie beispielsweise die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd und Träger auf Bundesebene wie die Deutsche Rentenversicherung Bund. Jeder Beschäftigte ist einem dieser Träger zugeordnet und dort rentenversicherungspflichtig. Das gilt zunächst auch dann, wenn Ihr Mitglied in einem Versorgungswerk seid.

Jetzt möchte kaum jemand für dieselbe Tätigkeit zweimal einkommensbezogene Beiträge zahlen. Für diesen Fall gibt es die Möglichkeit, sich von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zugunsten des Versorgungswerks befreien zu lassen.

Bevor wir konkret über die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung sprechen, erstmal noch ein paar Worte zur Historie, um das Ganze einzuordnen: Keine Sorge wir startet nicht bei der Sozialgesetzgebung von Bismark im 19. Jahrhundert. Gehen wir nur einige Jahrzehnte zurück, in die noch junge Bundesrepublik. Die Wurzeln der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht reichen nämlich zurück in die 1950er Jahre. Einige Freiberufler, wie zum Beispiel die Ärzte und Apotheker in Bayern, hatten bereits gut funktionierende, eigene Altersversorgungssysteme. Alle anderen Freiberufler mussten ihre Altersversorgung entweder in Eigenregie regeln oder sie hatten eben keine.

Die gesetzliche Rentenversicherung war zu dieser Zeit ausgerichtet auf Arbeiter und Angestellte klassischer Berufe. Und deren Leistungen waren für die Versicherten alles andere als auskömmlich. In den 1950er Jahren wurde das Rentensystem daher grundlegend reformiert. Den Selbständigen und Freiberuflern war der Zugang ohnehin verwehrt. Das blieb im Wesentlichen auch nach der großen Rentenreform im Jahr 1957 so, in dem der Generationenvertrag und das Umlageverfahren wie wir es heute bei der gesetzlichen Rentenversicherung kennen, etabliert wurden.

Freiberufler mussten sich also selbst um ihre soziale Absicherung im Alter, bei Berufsunfähigkeit und um den Schutz ihrer Hinterbliebenen kümmern. Deswegen rückte das Thema bei den Berufsständen immer mehr in den Fokus und nach und nach wurden auf Initiative der Berufsstände immer mehr Versorgungswerke nach dem Vorbild der schon bestehenden gegründet. In Bayern, aber auch in den anderen Bundesländern. Teil der berufsständischen Solidargemeinschaft sollten selbstverständlich alle Berufsangehörigen sein, egal ob sie ihren Beruf selbständig oder im Angestelltenverhältnis ausübten.

Häufig war die Biografie von Freiberuflern so, dass vor der Zeit als Selbständiger noch eine kurze Zeit als Angestellter bestand. Ansprüche bei der gesetzlichen Rentenversicherung auf Altersrente gab es bis in die 1980er Jahre erst, wenn eine Wartezeit von 15 Jahren erreicht war.

Schnell kam auch die Frage auf: Müssen Angehörige der Freien Berufe, die ihren Beruf im Angestelltenverhältnis ausüben, für dieselbe Tätigkeit doppelt Rentenversicherungsbeiträge zahlen?

Diese Frage wurde über das Befreiungsrecht gelöst. Ziel war: Wer bereits über eine berufsständische Versorgungseinrichtung abgesichert ist, soll nicht nochmal in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen.

Die wichtigsten Regeln zum Befreiungsrecht, wie sie heute gelten, hat der Gesetzgeber in den 1990iger Jahren gelegt. Der Gesetzgeber hat eine sogenannte „Friedensgrenze“ zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung geschaffen, entlang der die Voraussetzungen für die Befreiung definiert sind.

Der Begriff „Friedensgrenze“ hat sich tatsächlich so im Fachjargon etabliert. Seither sind die Voraussetzungen weitgehend klar geregelt und haben sich mit einigen Konkretisierungen durch die Rechtsprechung, vor allem des Bundessozialgerichts, bis heute so gehalten.

Teil 2: Voraussetzungen für die Befreiung

Kommen wir zu den Voraussetzungen – was muss man erfüllen, um sich zu befreien lassen?

Erstens: Man muss Mitglied einer berufsständischen Kammer sein, also zum Beispiel einer Ärztekammer, Architektenkammer, Apothekerkammer, Steuerberater- oder Rechtsanwaltskammer. Für die jeweilige Berufsgruppe muss also dort, wo die Beschäftigung ausgeübt wird, verpflichtend eine Mitgliedschaft in der Berufskammer vorgeschrieben sein.

Seltsam: ein Freund von mir ist angestellt und als Stadtplaner Pflichtmitglied bei der Bayerischen Architektenkammer. Trotzdem scheint für ihn eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Frage zu kommen. Kannst du dir das erklären?

Ja. Das hängt mit der vorhin genannten „Friedensgrenze“ zusammen. Damit die Freien Berufe den Kreis ihrer Pflichtmitglieder nicht immer weiter auf neue Personengruppen ausdehnen, die dann ihre Rentenversicherungsbeiträge an das Versorgungswerk zahlen, statt an die gesetzliche Rentenversicherung, wurde im Gesetz ein Stichtag festgelegt. Nur dort, wo bereits vor dem 1995 eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer für eine bestimmte Berufsgruppe bestanden hat, ist eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung möglich. Stadtplanerinnen und Stadtplaner in Bayern wurden erst nach diesem Stichtag, nämlich 2015, Pflichtmitglieder der Bayerischen Architektenkammer und sind deshalb nicht befreiungsfähig, sofern sie ausschließlich in die Stadtplanerliste eingetragen sind. Befreiungsfähig sind dagegen Berufsangehörigen, die neben der Eintragung in eine der Fachrichtungen der Architektenliste gleichzeitig noch zusätzlich in der Stadtplanerliste eingetragen sind.

Aber das sind Details. Da wollen wir nicht tiefer einsteigen. Bis auf die Nur-Stadtplaner in Bayern, können sich alle andere befreien lassen, wenn auch die weiteren Voraussetzungen passen.

Daher lass uns über die zweite Voraussetzung für die Befreiung sprechen:

Man muss nicht nur Pflichtmitglied in einer Berufskammer sein, sondern auch Pflichtmitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk.

Aber Warte mal - was bedeutet das zum Beispiel für die Juniormitglieder der Architektenkammern? Werden die als Juniormitglied der Berufskammer, also jemand der noch in seiner berufspraktischen Ausbildung steht, überhaupt Pflichtmitglied im Versorgungswerk?

Ja, doch. Auch die bei den Architektenkammern eingeführte Juniormitgliedschaft führt zu einer Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk. Denn schon bevor es Juniormitglieder bei den Architektenkammern gab, konnten die Absolventen in ihrer berufspraktischen Ausbildungsphase Mitglied im Versorgungswerk werden.

Und drittens - das ist entscheidend – die konkret ausgeübte Tätigkeit, muss berufsspezifisch sein, also von wesentlichen Elementen aus dem Aufgabenbereich des jeweiligen Berufs geprägt sein.

Verstehe: eine Architektin, die beispielsweise bei einer Versicherung die Personalabteilung führt, übt keine Tätigkeit aus, die dem Berufsbild eines Architekten entspricht. Ihr Befreiungsantrag müsste also abgelehnt werden.

Genau. Wer im Architekturbüro, aber auch bei Unternehmen oder Behörden mit Bau- oder Gebäudethemen zu tun hat, auf den trifft das in aller Regel zu. Gleiches gilt natürlich auch für die anderen Fachrichtungen. Allerdings gibt es Grenzfällen, bei denen das nicht immer so eindeutig ist.

Apropos „Antrag“: Der Antrag auf Befreiung muss innerhalb von drei Monaten nach Beschäftigungsbeginn gestellt werden, damit die Befreiung rückwirkend ausgesprochen wird. Wird der Antrag erst später gestellt, wird die Befreiung von der Deutschen Rentenversicherung erst ab dem Tag der Antragstellung erteilt.

Und noch etwas ist wichtig: Die Befreiung ist auf die Tätigkeit beschränkt, für die sie erteilt wurde. Heißt im Klartext: neuer Job – neuer Antrag. Das gilt auch bei einem internen Jobwechsel beim gleichen Arbeitgeber, wenn sich an der Tätigkeit wesentlich ändert.

Teil 3: Antragsverfahren

Kommen wir zurück zum Antragsverfahren: Was muss ich konkret tun? Bei wem muss ich den Antrag stellen? Wie läuft das Verfahren ab?

Der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung könnt Ihr nur online stellen. Das Verfahren ist damit vollständig digital und papierfrei. Ein Link zum Antragsverfahren findet Ihr auf der Internetseite des Versorgungswerks.

Das Versorgungswerk leitet den Antrag in einem automatisierten Verfahren dann an die Deutsche Rentenversicherung weiter, die den Antrag prüft und darüber entscheidet. Von dort erhaltet Ihr dann Nachricht – aktuell noch auf Papier –, ob es geklappt hat.

Das Versorgungswerk trifft also selbst keine Entscheidung über die Befreiung?

Nein. Das Versorgungswerk ist an der Entscheidung über die Befreiung nicht beteiligt.

Was passiert mit meiner Mitgliedschaft im Versorgungswerk, wenn mein Befreiungsantrag abgelehnt wurde?

In der Regel gibt es keine Probleme bei der Befreiung und die DRV erteilt bei Vorliegen der Voraussetzungen den Befreiungsbescheid. Ist die Tätigkeit mal nicht ganz so eindeutig den Berufsaufgaben aus dem Architektengesetz zuzuordnen, haben wir viele Infos auf unserer Homepage, auf was es dann im Detail ankommt. Wir haben die Rechtsprechung dazu in den letzten Jahren ausgewertet und die Knackpunkte mit FAQs zusammengeschrieben. Es lohnt sich bei einer Ablehnung genauer hinzusehen und im Zweifel auch den Gang vors Sozialgericht nicht zu scheuen. In der Regel gingen die Verfahren zugunsten der Antragsteller aus.

Eine Ablehnung der Befreiung hat allerdings keinen Einfluss auf die Mitgliedschaft im Versorgungswerk oder in der Berufskammer. Sie wirkt sich dagegen bei der Frage aus, wohin die einkommensbezogenen Beiträge zu zahlen sind.

Teil 4: Folgen der Befreiung

Und was passiert konkret, wenn ich für meine Tätigkeit eine Befreiung erhalten habe?

Ganz wesentlich: Wer befreit ist, zahlt keine Beiträge mehr an die gesetzliche Rentenversicherung. Stattdessen fließen die Rentenversicherungsbeiträge aus der befreiten Tätigkeit an das Versorgungswerk.

Also ist man aus dem System der gesetzlichen Rentenversicherung dauerhaft raus?

Nicht unbedingt. Jede Tätigkeit ist für sich zu betrachten. Wer später eine andere sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufnimmt, muss einen neuen Befreiungsantrag stellen – andernfalls bleibt er gesetzlich rentenversichert. Oder wer zwei sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander hat, kann bei einem Job befreit sein und beim anderen nicht.

Und man sollte wissen: Die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die man vor der Befreiung erworben hat, bleiben natürlich bestehen.

Aber wer nur kurz eingezahlt hat, sollte prüfen, ob er überhaupt einen Rentenanspruch auf spätere Altersrente bei der DRV erworben hat. Voraussetzung ist eine Mindestversicherungszeit von 5 Jahren. Unter Umständen ist es sinnvoll noch freiwillig Beiträge einzuzahlen, um diese Wartezeit zu erreichen. Eine Rente auch aus der gesetzlichen Rentenversicherung bringt nämlich – so zumindest nach aktueller Gesetzeslage – später Vorteile bei den Krankenversicherungsbeiträgen als Rentner.

Bei der Wartezeit können neben freiwilligen Beiträgen auch Kindererziehungszeiten helfen. Die werden nämlich in jedem Fall bei der gesetzlichen Rentenversicherung gutgeschrieben und nicht beim Versorgungswerk – auch wenn ihr von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit seid.

Aber das und auch das Thema Rente aus dem Versorgungswerk und was bei der Krankenversicherung gilt, sind nochmals eigene Themen.

Teil 5: Fazit & Tipps

Fassen wir die Folge nochmals kurz zusammen:

Die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung ist ein wichtiger Baustein der berufsständischen Altersversorgung: Die Befreiung stellt sicher, dass die einkommensbezogenen Beiträge aus Eurer Angestelltentätigkeit an das Versorgungswerk gehen.

Wer sich unsicher ist, ob er sich von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen kann oder was das bedeutet, sollte sich rechtzeitig kümmern und sich gut informieren. Beim jeweiligen Versorgungswerk, aber auch bei den Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung.

Und immer dran denken: Neue Stelle oder wesentliche Änderung bei Eurer Tätigkeit gleich neuer Antrag auf Befreiung!

Das war’s für heute. Wir hoffen, ihr habt jetzt einen guten Überblick zum Thema Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Freut euch auf die nächste Folge!

Euer BV-Cast Team der Bayerischen Versorgungskammer.

Outro

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